Blog Post

Die deutsch-englische Freundschaft endet im Kinosaal

  • von Christopher Büchele
  • 06 März, 2019

„Trautmann“ und das deutsche Synchronwesen

Bernd „Bert“ Trautmann steht für eine außergewöhnliche Fußballer-Karriere, die außerhalb von Großbritannien - insbesondere in seiner deutschen Heimat - kaum einer kennt. Weil er hierzulande keinen Fußball gespielt, sondern als Soldat im Zweiten Weltkrieg gedient hat. Freiwillig und ausgezeichnet mit u. a. dem Eisernen Kreuz. So einer hat eigentlich nicht das Zeug zum deutschen Fußballidol. Und erst recht nicht zum englischen. Aber das macht die Geschichte von „Trautmann“, die Marcus H. Rosenmüller („Wer früher stirbt, ist länger tot“) jetzt verfilmt hat, ja auch so außergewöhnlich. Weil dieser Trautmann als einer der wenigen Überlebenden einer alliierten Offensive in englische Kriegsgefangenschaft geraten ist und dort - wenig überraschend - als Nazi und „Kraut“ zu Latrinendienst und ähnlich entwürdigenden Tätigkeiten verdonnert wurde. Ende und aus? Von wegen! Denn der Aufenthalt in der Kriegsgefangenschaft wurde für den Deutschen zum unerwarteten Startpunkt für eine Ausnahmekarriere. Dieser Trautmann konnte nämlich wirklich kicken. Oder „keepen", sprich: Das Tor sauber halten. Und das hat man in England ziemlich schnell erkannt. Nun ist es natürlich kein ganz einfacher Weg vom talentierten Torwart mit Nazivergangenheit zum nationalen Fußballheiligtum. Und Rosenmüller (und mit ihm seine ausgezeichnete Besetzung um David Kross und die junge Schottin Freya Mavor) gibt sich trotz aller Romantisierung reichlich Mühe, auf diesem Weg wenig auszusparen: Sowohl von Trautmann zumindest zugelassene Kriegsgräuel als auch ans Rassistische grenzende Massendemonstrationen gegen den bald schon für Manchester City spielenden Ex-Kriegsgegner haben hier Platz und tragen zur außergewöhnlichen Botschaft des Films bei - Der verbindenden Kraft von Fußball im Allgemeinen und der zögerlichen Annäherung von Briten und Deutschen nach dem Krieg im Besonderen. Denn im Verlauf seiner Karriere brachte es Trautmann, der ein legendäres Pokalfinale sogar mit Genickbruch (!!) zu Ende spielte, sogar zu Englands Fußballer des Jahres und schließlich sogar zum Symbol der Aussöhnung. So weit zum unterhaltsamen, lehrreichen und erstaunlich sensibel mit seinem Material umgehenden Film. 
Und jetzt zur Premiere von „Trautmann“ Anfang März in München und zu den Schlaglichtern, die jene auf die tatsächliche Weltoffenheit des deutschen Zuschauers wirft. Gedreht haben Rosenmüller und sein Team nämlich sinnigerweise vor Ort in England und mit einer Reihe ganz hochkarätiger britischer Darsteller auch in der dortigen Landessprache. Während nun also die Premierenvorführung im englischen Original mit Untertiteln von einem Großteil des Fachpublikums frenetisch begrüßt wurde - schließlich wollte man nicht unbedingt sehen bzw. hören, welch peinliche dramaturgische Lücken entstehen, wenn der Deutsche gebrochen Deutsch (statt Englisch) spricht und der Brite fließendes Deutsch, um irgendeine Art der in realiter ja existierenden Sprachbarriere zu etablieren - gab es vereinzelte Stimmen, denen das ganz offensichtlich sauer aufstieß. Schließlich wollen wir mal nicht vergessen, dass wir in Sachen Kinokunst immer noch eine Synchronrepublik sind.

„Und was, wenn I koa Englisch net ko?“
„Dann lesen Sie doch die Untertitel!“
„Na siag I jo nix mehr vom Fuim!“

Und dann wird sich zwei Stunden lang unterhalten - verstehen tut man von den Dialogen ja ohnehin nix - und statt auf die Untertitel ins Handy geschaut, zum Teil sogar gesprochen. Nun ließe sich das als Ignoranz des Kinozuschauers vor dem Elfmeter fehlinterpretieren - des Deutschen Problem mit Originalfassungen ist ja kein neues - würde nicht das Sujet des Filmes gerade dieser Ignoranz gegenüber so diametral entgegenstehen. Denn die Erwartungshalten des Deutschen hört ja nicht im Kino damit auf, dass der Chinese Deutsch, der Italiener Deutsch und gefälligst auch der Engländer Deutsch zu sprechen hat - sie fängt hier erst an. Und setzt sich im Urlaub fort, wo jeder Straßenhändler in Istanbul, am Gardaseee und in Spanien gefälligst ein paar Brocken Deutsch zu sprechen hat, damit man ihm - immer lauter werdend, falls er einen nicht versteht - die zunehmend geringer werdenden Eurobeträge um die Ohren hauen kann. Entweder das, oder man macht gleich Urlaub in der Synchronfassung der deutschen Ferienleidenschaft: In der deutsch-nationalen Reisegruppe mit deutscher Führung, deutschem Essen und deutscher Pünktlichkeit. Oder in deutschen Enklaven, in denen sogar die Supermärkte heimischen Gewohnheiten angepasst worden sind. Demgegenüber denkt man gerne erstens an den Mut Rosenmüllers zurück, seine Form des modernen Heimatfilms in englischer Sprache auf die Insel zu übertragen und zweitens an seine Hauptfigur, die sich nicht nur der Sprachbarriere, sondern der Wut und dem Hass einer ganzen Nation gegenübersah. Und die trotzdem einer der ihren wurde. Fußball und Integration quasi, ein Thema, mit dem die Deutschen auch an anderer Stelle nicht so besonders gut klarzukommen scheinen. Es bleibt zu wünschen, dass die Generation Netflix diesem Spuk ein Ende bereitet. Wenn nicht die Generation Brexit dem Ganzen schon sehr viel früher einen Riegel vorschiebt. 
von Christopher Büchele 11. Juni 2019

Nicht weniger als die Zukunft des Kinos werde verhandelt, wenn es um die Auseinandersetzung der großen Filmfestivals – und hier insbesondere des Cannes Film Festivals – und Streamingriesen wie Netflix geht. So sieht es zumindest die Financial Times.  Weshalb insbesondere das traditionsreiche Festival an der französischen Riviera wie ein bockiges Kind an einer No-Netflix-Politik für seinen Wettbewerb festhält. Die ja auch umgekehrt (von seltenen Ausnahmen abgesehen) zutreffende No-Cinema-Politik des Streamingriesen wird hier gerne als Hauptgrund angeführt, ein Einwand, den jeder verstehen kann, der Alfonso Cuarons „Roma“ lediglich auf dem heimischen Bildschirm zu Gesicht bekommen hat. Dass solche Maßnahmen trotzdem reine Augenwischerei sind, davon zeugt die Tatsache, dass insbesondere Netflix und Amazon als große Player längst nicht mehr von den internationalen Filmmärkten wegzudenken sind. Und die sind am Ende des Tages deren raison d’être, das finanzielle Grundrauschen, ohne welches das glamouröse Drumherum gar nicht denkbar wäre.

von Christopher Büchele 13. März 2019

Hexen haben wieder Hochkonjunktur auf den schnell abbrennenden Scheiterhaufen der Popkultur. Letztlich sind sie ja nichts anderes als die weiblichen Gegenstücke zu romantisch verklärten Zauberjünglingen der Marke „Harry Potter“. Nur eben etwas furchterregender – zumindest für das männliche Geschlecht. Weil von ihnen eine Macht ausgeht, die wie eine Verstärkung all dessen wirkt, was Frauen ohnehin an Wirkung auf ihre nur vermeintlich stärkeren Gegenüber haben. Oder haben Sie eine Erklärung dafür, dass an einem Remake von „Charmed“ gebastelt und auch „Sabrina – The Teenage Witch“ wieder aus den verstaubten Aktenschränken der Seriengeschichte geholt wurde, während die „American Horror Story“ gleich eine ganze Staffel dem „Coven“ widmete? Dafür, dass einer der furchterregendsten Horrorfilme der letzten Jahre – „The Witch“ von Robert Eggers – den Blairwitch-Mythos wie ein Kindermärchen wirken ließ oder „Hereditary“ mit derlei Motiven spielte, diesen Sommer fortgesetzt in „Midsommar“, das heidnische Rituale zum Inhalt zu haben scheint? Von Luca Guadagninos Argento-Remake „Suspiria“ und einer imposanten Tilda Swinton in gleich mehreren Rollen (sogar - welch ein Übergriff - als Mann!) ganz zu schweigen?

 Kommt es von Ungefähr, dass die Popkultur den fröhlichen Hexensabbat feiert? Oder ist er als Reaktion auf verschwörerische weibliche Umtriebe zu sehen, die nicht weniger als die Umkehrung der Verhältnisse im Kulturbetrieb – kurz: Gleichberechtigung – zum Inhalt haben? Während im Kontext einer unbedingt führenswerten #metoo-Debatte also den Männern zu Recht der Kopf ver- und manchmal sogar der Hals umgedreht wird, reagiert der Film- und Serienbetrieb, in dem sich derlei abspielt, mit der Reaktivierung des Weiblichen in der Zauberei und Fantasterei. Wobei der ganze Vorgang, so schlau sind die Herren der kulturellen Wertschöpfung dann auch nicht, wohl eher unbewusst abläuft. Oder von Frauen umarmt wird, die im Bild der Hexe weibliche Stärke und Traditionen erkennen, mit denen die Männerwelt gemeinhin nur wenig anfangen kann.

von Christopher Büchele 22. Februar 2019
Seit rund 40 Jahren schreibe ich. Angefangen mit dem, was die Grundschullehrerin vorgegeben hat über die ersten zur Aufführung gebrachte Theaterstücke mit acht Jahren (fragen Sie nicht!) bis hin zu dem, was einem studentischer und journalistischer Werdegang in den vergangenen rund 30 Jahren vorgegeben hat. Und „Vorgabe“ ist das richtige Stichwort. Im Regelfall handelt(e) es sich dabei um Pflicht- oder Auftragsarbeiten. Zunächst dutzende wissenschaftlicher Texte, dann noch mehr Interviews und schließlich Rezensionen und ausführliche Features zu allen Bereichen des multimedialen Lebens - ich könnte mittlerweile etliche Bücher mit meinen Texten füllen. Als „menschliche Schreibmaschine“ halte ich mich dabei an Ziel- und Zeilenvorgaben, an Zielgruppenerwartung und an journalistische Standards. Und meistens sogar an meine eigene Meinung - auch wenn diese sich zuweilen nur zwischen den Zeilen herauslesen lässt. Was ich nicht getan habe - teils in Ermangelung von Zeit, teils wegen eines fehlenden Forums - ist es, für mich zu schreiben. Oder als ich - für andere. Neben der beruflichen Textschöpfung soll an dieser Stelle deshalb jeglicher Filter fallen. „The Human Typewriter“ schreibt über das, was ihm im beruflichen Alltag an Skandälchen und Petitessen begegnet genauso, wie über seine jüngste Serienentdeckung, den nächsten großen ausgebliebenen Hype, über das, was er gekocht und vielleicht sogar woanders gegessen hat und ganz vielleicht äußert er sich sogar zu Politik und Gesellschaft. Kann ihm ja niemand reinreden hier außer er selbst. Und außerdem werden auch immer wieder von uns publizierte Texte hier noch einmal zur Veröffentlichung kommen. Wenn am Ende dabei ein Bild dessen entsteht, was den ideellen und persönlichen Rahmen für meine (und unsere) Tätigkeit abgibt: Gut! Wenn nicht, dann kann ich das auch nicht ändern. Aber schließlich mache ich das hier in erster Linie für mich, in zweiter für Sie und in dritter ganz sicher nicht, um zum popkulturellen Influenzer aufzusteigen. Wobei: Angebote für das nächste kostenfreie Essen und den übernächsten Familienurlaub nehme ich gerne entgegen...   
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