Hexen haben wieder Hochkonjunktur auf den schnell
abbrennenden Scheiterhaufen der Popkultur. Letztlich sind sie ja nichts anderes
als die weiblichen Gegenstücke zu romantisch verklärten Zauberjünglingen der
Marke „Harry Potter“. Nur eben etwas furchterregender – zumindest für das
männliche Geschlecht. Weil von ihnen eine Macht ausgeht, die wie eine
Verstärkung all dessen wirkt, was Frauen ohnehin an Wirkung auf ihre nur
vermeintlich stärkeren Gegenüber haben. Oder haben Sie eine Erklärung dafür,
dass an einem Remake von „Charmed“
gebastelt und auch „Sabrina – The Teenage
Witch“
wieder aus den verstaubten Aktenschränken der Seriengeschichte geholt
wurde, während die „American Horror Story“ gleich eine ganze Staffel dem „Coven“
widmete? Dafür, dass einer der furchterregendsten Horrorfilme der letzten Jahre
– „The Witch“
von Robert Eggers – den Blairwitch-Mythos wie ein Kindermärchen
wirken ließ oder „Hereditary“ mit derlei Motiven spielte, diesen Sommer
fortgesetzt in „Midsommar“, das heidnische Rituale zum Inhalt zu haben scheint?
Von Luca Guadagninos Argento-Remake „Suspiria“
und einer imposanten Tilda
Swinton in gleich mehreren Rollen (sogar - welch ein Übergriff - als Mann!) ganz
zu schweigen?
Kommt es von Ungefähr, dass die Popkultur den fröhlichen
Hexensabbat feiert? Oder ist er als Reaktion auf verschwörerische weibliche
Umtriebe zu sehen, die nicht weniger als die Umkehrung der Verhältnisse im
Kulturbetrieb – kurz: Gleichberechtigung – zum Inhalt haben? Während im Kontext
einer unbedingt führenswerten #metoo-Debatte also den Männern zu Recht der Kopf ver- und manchmal sogar der Hals umgedreht wird, reagiert der Film- und
Serienbetrieb, in dem sich derlei abspielt, mit der Reaktivierung des
Weiblichen in der Zauberei und Fantasterei. Wobei der ganze Vorgang, so schlau sind
die Herren der kulturellen Wertschöpfung dann auch nicht, wohl eher unbewusst
abläuft. Oder von Frauen umarmt wird, die im Bild der Hexe weibliche Stärke und
Traditionen erkennen, mit denen die Männerwelt gemeinhin nur wenig anfangen
kann.
Jetzt also auch in der Musik. Denn was die neuseeländische
Singer/Songwriterin Aldous Harding
mit „The Barrel“ und im zugehörigen
Musikvideo zelebriert, ist nichts anderes als ein Hexensabbat. Dazu angetan, uns
für immer einzulullen und zu betören mit Beschwörungsformeln, die wohl nur sie
selbst versteht und mit Bewegungen, die in ihrer abgehakten Merkwürdigkeit
eigentlich nur zum Ziel haben können, den Zuschauer zu hypnotisieren.
It's already dead
I know you have the dove
I'm not getting wet
Looks like a date is set
Show the ferret to the egg
I'm not getting led along.
Wer sich bereits nach einmaligem
Hören und Sehen eingehüllt fühlt in diese Welt aus weichen Tüchern, bizarren
Plateauschuhen, hohen Hüten und allegorischen Geburtskanälen, der befindet sich
in bester Gesellschaft. In tausenden Kommentaren unter dem Video wird auf die
tribalistische und fast schamanische Qualität der Darbietung hingewiesen und
auch ich muss zugeben, dass ich den Hexenkräften von Aldous Harding vollkommen
hilflos ausgeliefert bin – seit Erscheinen der Single aus ihrem kommenden Album
„Design“ habe ich das Video mindestens 30 mal gesehen, den zugehörigen Song 50
mal gehört. Wenn’s langt. Das kann einfach nicht mit rechten Dingen zugehen.
Und wenn doch, dann nur in Verbindung mit ganz außergewöhnlichen Talenten. Für
beides hat man in der Vergangenheit dem starken weiblichen Geschlecht gern den
Hexenbesen untergeschoben. Und wir tun das jetzt auch. Allerdings mit einer
tiefen Verbeugung und in Anerkennung der Tatsache, dass es Dinge zwischen
Himmel und Erde gibt, die uns Männern verschlossen bleiben. Einen Hauch
davon auf musikalische Art und Weise
vermittelt zu bekommen, ist ein echtes Geschenk.